
Der Reinigungsspezialist Alfred Kärcher hört mittlerweile ganz genau hin, was seine Kunden auf Amazon und im eigenen Webshop über die eigenen Produkte sagen. Aus den gesammelten Insights folgen konkrete Aktionen.
Marc Rottmann, Senior Projektleiter Market Research bei Alfred Kärcher, lässt etwas hinter die Kulissen blicken, wie das Unternehmen Online Rezensionen mit der Software von gominga erfolgreich analysiert.
Sterne waren gestern, Textanalysen sind die Zukunft!
Inhaltsverzeichnis
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- Wie wichtig sind Reviews und Q&A für Kärcher?
- Auf welchen Plattformen sammelt Ihr überhaupt Kunden-Feedback ein?
- Sind neben den Rezensionen auf Marktplätzen auch andere Reviews wichtig, beispielsweise Händlerbewertungen oder Bewertungen in den AppStores?
- Du hast vorhin erwähnt, dass das Produktmanagement und die Qualitätssicherung stark von Review-Management profitieren. Kannst Du das noch ein bisschen ausführlicher erklären?
- Wie wichtig ist Review-Management bei Kärcher für die Wettbewerbsanalyse?
- Ergänzt Review-Management aus Deiner Sicht die klassische Marktforschung oder ersetzt sie sie sogar irgendwann?
- Siehst Du einen direkten Zusammenhang zwischen Reviews und der Kaufentscheidung?
- Glaubst du, dass Du über Review-Management Einfluss auf die Rezensionsqualität nehmen kannst?
- Warum habt Ihr Euch entschieden, mit der Software von gominga zu arbeiten?
- Hat Kundenfeedback in Form von Reviews und Fragen aus Deiner Sicht bei Kärcher die Aufmerksamkeit, die es verdient?
- Abließende Frage: Was sind für Dich im Marktplatz-Business die beiden Top-Themen, um die Du Dich besonders kümmerst oder kümmern willst?
Wie wichtig sind Reviews und Q&A für Kärcher?
M.R.: Wir haben vor sechs bis sieben Jahren angefangen, Kundenstimmen im Bereich Social Media zu analysieren. Da war immer auch schon ein kleiner Teil Reviews mit dabei. Und als wir dann vor drei bis vier Jahren in Rating- und Review-Monitoring eingestiegen sind, waren wir eher noch zurückhaltend nach dem Motto „Schauen wir mal, was wir mit den Sterne-Ratings so machen können“.
Als wir in der Marktforschung dann die erste Studie in Eigenregie veröffentlicht haben, um zu analysieren, wie sich Reviews auf die Kaufentscheidung auswirken, ging es rasant nach oben. Mit der Studie konnten wir unser schon immer vorhandenes Bauchgefühl bestätigen, dass 20 bis 30 Prozent des Käuferpotenzials wegfallen, wenn Produkte mit weniger als 4,0 Sternen bewertet werden.
Inzwischen kommen fast täglich Abteilungen mit Fragen auf uns zu. Vor allem das Produktmanagement und die Qualitätssicherung profitieren sehr stark.
Auf welchen Plattformen sammelt Ihr überhaupt Kunden-Feedback ein?
M.R.: Europaweit ist für Kärcher natürlich Amazon ein ganz bedeutender Kanal. Aber auch unser eigener Webshop spielt eine wichtige Rolle. Das sind primär die zwei Kanäle, die wir aus der Vergangenheit heraus tracken. Daneben sind unsere Auslandsgesellschaften aber zum Teil natürlich auch noch auf anderen Plattformen unterwegs. Und auch die Baumärkte werden in Bezug auf Customer Engagement immer wichtiger. Da wollen wir künftig auch mehr machen.
Sind für Euch neben den Rezensionen auf Marktplätzen auch andere Reviews wichtig, beispielsweise Händlerbewertungen oder Bewertungen in den AppStores?
M.R.: Durch das Tracking von Review-Daten haben wir intern einiges angestoßen. Seit etwa einem halben Jahr stehen wir in engem Austausch mit Kollegen, die bei uns das Thema App-Entwicklung vorantreiben. Wir machen sehr viel in diesem Bereich, deshalb ist das Tracken der App-Stores auf jeden Fall ein relevantes Zukunftsthema. Auch Google Locations haben wir uns als Testballon einmal angesehen. Touchpoint-Analysen entlang der gesamten Customer Journey, online wie stationär, werden für uns immer spannender.

Du hast vorhin erwähnt, dass das Produktmanagement und die Qualitätssicherung stark von Review-Management profitieren. Kannst Du das noch ein bisschen ausführlicher erklären?
M.R.: Unser Produktmanagement hat natürlich ein großes Interesse daran, zu erfahren, wie ihre Produkte und auch die Zubehörartikel performen. Hier wird – in Abstimmung mit den internationalen Kollegen – abgestimmt, welche Produkte überhaupt analysiert werden. Inzwischen gehen wir hier weg von den reinen Sternebewertungen hin zu Sentiment-Analysen und Textminings. Für die Qualitätssicherung ist sehr spannend zu erfahren, was unsere Kunden in Bezug auf Handhabung, Lautstärke oder Gewicht sagen. Aber auch in Bezug auf die Planung neuer Produkte ist Review Management wichtig. Wir versuchen beispielsweise durch Predictive Analytics, auf Basis der Zahlen die Zukunft vorauszusagen. Auch in Bezug auf die Planung neuer Produkte ist das Produktmanagement agil. Auf Basis des Tools werden Innovationsworkshops initiiert. Und im Marketing wird überprüft, ob wir in der Kommunikation den richtigen Fokus setzen. Hier ist auch der Q&A-Bereich sehr aufschlussreich.
Wie wichtig ist Review-Management bei Kärcher für die Wettbewerbsanalyse?
M.R.: Das ist heute schon wichtig, wird aber an Relevanz noch zunehmen. Wir analysieren beispielsweise heute schon auf verschiedenen Dimensionen, was Kunden bei Konkurrenzprodukten positiv oder negativ erwähnen. Wir punkten hier oft in Sachen Performance und Qualität. Aber vielleicht sehen die Kunden in punkto Convenience oder Ergonomie andere Produkte weiter vorne. Momentan fokussieren wir hier noch sehr stark auf die Sternebewertungen. Aber langfristig hilft uns der reine Sternewert nicht mehr weiter, sondern wir benötigen Sentiment-Analysen und KI-Systeme, die die Stärken und Schwächen von Kärcher gegenüber dem Wettbewerb aus Kundensicht analysieren kann.
Ergänzt Review-Management aus Deiner Sicht die klassische Marktforschung oder ersetzt sie sie sogar irgendwann?
M.R.: Ich würde momentan von Ergänzung sprechen. Ich glaube schon, dass qualitative Studien mit Fokusgruppen, die nah am Kunden sind sowie auch quantitative Online-Befragungen für uns wichtig bleiben. Aber inzwischen liefert uns der Kunde auch frei Haus seine Einschätzungen. Hier müssen wir dann keine Samples mehr befragen. Natürlich schaut man als Marktforscher da erstmal kritisch auf die Methodik, wir haben es ja nicht mehr mit klassischen repräsentativen Stichproben zu tun. Aber es ist eine neue Art, Kundenmeinungen abzufragen. Und ich muss ganz klar sagen, dass Review-Management das Leben als Marktforscher auch erleichtert. Diese Masse an Daten zu erheben, fällt auf diese Art leichter. Und außerdem bekommt man durch Befragungen auch immer nur einen gewissen Wahrheitsgehalt. In einer Rezension, wo einem Kunden der Hut platzt, wird einem die Meinung ehrlicher widergespiegelt. Und ja, wenn wir heute Ratings und Reviews abschneiden würde, würde mir etwas fehlen.
Siehst Du einen direkten Zusammenhang zwischen Reviews und der Kaufentscheidung?
M.R.: Auf jeden Fall – nicht nur als Marktforscher, sondern auch als Privatperson. Wenn man auf Amazon vergleichbare Marken zum vergleichbaren Preis angezeigt bekommt, fängt der Mensch an, sich Sicherheit zu holen. Und es kauft mit Sicherheit keiner das Produkt, das mit 3,2 Sternen bewertet wird, wenn ein anderes zum selben Preis 4,2 Sterne hat. Und ich habe eingangs ja schon einmal unsere interne Studie erwähnt. Da haben wir einen klaren Abbruch der Conversion-Rate ab 3,9 oder 4,0 Sternen gesehen. Diesen Wert nach oben zu verändern, ist schwer. Der Mittelwert ist relativ träge.
Glaubst du, dass Du über Review-Management Einfluss auf die Rezensionsqualität nehmen kannst?
M.R.:Belastbare Daten habe ich dazu nicht, nur eine persönliche Erfahrung. Ich habe neulich ein Produkt gekauft, bei dem ein Teil nicht funktioniert hat. Nachdem ich eine Rezension geschrieben habe, kam zwei Stunden später Feedback vom Unternehmen. Ich bekam das Angebot, das Produkt entweder zu retournieren oder es mit einem Rabatt zu behalten. Das klang nicht nach vorformulierter Standardreaktion, sondern nach jemanden, der für beide Seiten eine gute Lösung sucht. Nachdem ich den Rabatt akzeptiert habe, kam auch relativ schnell die Rückmeldung, ob ich meine Bewertung nicht nochmal überdenken wollte, falls mein Problem gelöst wurde. Das war so charmant formuliert, dass ich das wirklich gemacht habe. Vielleicht sind viele Menschen ein bisschen zu faul, um einmal abgegebene Bewertungen wieder zu ändern. Aber ich glaube trotzdem, dass es etwas mit einem Kunden macht, wenn er merkt, dass sich ein Unternehmen Customer Centricity nicht nur auf die Fahne schreibt, sondern wirklich lebt. Bei Kärcher funktioniert Mund-zu-Mund-Proaganda auch ganz gut. Und wenn jemand beim Grillabend von seinem Kärcher-Problem erzählt und wie wir ihm schnell geholfen haben, dann zahlt das positiv auf unsere Brand ein.
Warum habt Ihr Euch entschieden, mit der Software von gominga zu arbeiten?
M.R.:Wir wollten mehr Customer Engagement und gominga rückte in meinen Fokus, weil im Tool Textmining und Sentiment-Analysen berücksichtigt sind. Sterne waren gestern. Textanalysen sind die Zukunft.
Hat Kundenfeedback in Form von Reviews und Fragen aus Deiner Sicht bei Kärcher die Aufmerksamkeit, die es verdient?
M.R.:Absolut. In den Anfangszeiten kam der Impuls noch von uns intrinsisch. Aus dem Push ist intern ganz schnell ein Pull geworden. Inzwischen ist Review-Management bei uns ein Selbstläufer.
Abließende Frage: Was sind für Dich im Marktplatz-Business die beiden Top-Themen, um die Du Dich besonders kümmerst oder kümmern willst?
M.R.:Für mich ist eine der spannenden Fragen, was mit Amazon in Sachen Customer Engagement im Ganzen passiert. Kommen Restriktionen? Und dann müssen wir auch noch genauer bewerten, dass die Welt nicht nur aus Amazon besteht. Das war unser Pilot. Jetzt müssen wir andere relevante Plattformen in anderen Regionen in den Fokus nehmen und auch KI noch gezielter einsetzen. Das sind die Baustellen für mich als Marktforscher.
Ein riesen Dankeschön an Marc Rottmann für die interessanten Einblicke. Sie finden diese Studie und noch Vieles mehr in unserer Marktplatzstudie 2022.
Über Marc Rottmann:
Seit seinem Studium an der Hochschule Pforzheim arbeitet der Dipl. Betriebswirt (FH) bei Kärcher und fokussiert sich als Senior Projektleiter vor allem auf die Themen Qualitative Marktforschung B2C und B2B, Kundentypologien / Consumer Profiles sowie Rating & Review Monitoring.