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Jonas Hahn von WMF im Interview: Das A in Amazon steht für Automatisierung

By 15. Juni 2022Juni 28th, 2024No Comments
WMF Interview Jonas Hahn

Wer auf Marktplätzen erfolgreich sein will, braucht eine Strategie. Was wie eine Binsenweisheit klingt, wird in einer internationalen Organisation mit einer Vielzahl von Marken, Marktplätzen und Ländern schnell komplex. Entsprechend wichtig ist der Themenbereich Organisation, Kompetenzen, Systeme, Prozesse, Kultur. Wir sprachen mit Jonas Hahn, Head of Onlineshop and Marketplaces DACH bei WMF, wie man Strategie und Organisation für ein funktionierendes Marktplatz-Business heutzutage in Einklang bringen und umsetzen sollte.

Seit wann ist WMF auf Marktplätzen aktiv? Seit wann genießt das Thema TOP-Priorität?

JH: Wir verkaufen seit ca. 2016 über Online-Marktplätze und das Thema hatte von Anfang an eine hohe Priorität im Management. Nach zwei bis drei Jahren haben wir allerdings erkannt, dass wir eine andere Strategie brauchen. Marktplätze sind ja sehr preiskompetitiv. Das ist aus Sicht einer Premiummarke herausfordernd. Seit 2021 treten wir mit einem klaren Premium-Anspruch auf den Marktplätzen auf.

Machen es Euch die Marktplätze heute leichter als früher, durch Möglichkeiten wie A+-Content den Premium-Anspruch umzusetzen?

JH: Mit dem Anspruch der WMF als Premiummarke ist das immer eine Herausforderung. Aber wir versuchen, die Darstellung auf den Plattformen trotz der unterschiedlichen Content-Vorgaben auf jedem Marktplatz so hochwertig und auch so homogen wie möglich umzusetzen. Und natürlich nutzen wir dafür
auch A+-Content z. B. bei Amazon. Uns ist dabei auch sehr wichtig, den Content selbst zu ownen, die Marketingmöglichkeiten zur Plattform selbst zu steuern und den Kontakt zur Plattform selbst zu haben.

Von wie vielen Marktplätzen sprechen wir denn dann – inklusive Länderdomains?

JH: In meiner Region DE und AT sind wir Stand heute auf fünf Marktplätzen live. Weitere fünf bis sechs sind in den kommenden 1,5 Jahren geplant. Aber natürlich ist es naheliegend, dass ein Set-up, das sehr effizient im DACH-Markt funktioniert, auch im gesamten EU-Markt funktioniert. Es wird aber gerade noch diskutiert, wie wir hier skalieren.

Also habt Ihr es schnell mit 15 bis 20 Plattformen zu tun, die alle unterschiedliche Anforderungen stellen?

JH: In der Tat: Das ist ein sehr komplexes und dynamisches Arbeitsfeld. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Und das geht nur, wenn man
in allen Bereichen – von der Content-Ausspielung über Marktbeobachtung und Abrechnung bis zu Logistik und Ordermanagement – auf maximale Automati-sierung, Effizienz und Skalierbarkeit setzt. Hier führt kein Weg an guten Systemen und Prozessen vorbei.
Punkt!

Agiert Ihr hier als Vendor oder Seller?

JH: Unser Ziel ist es, auf den meisten Plattformen nur Seller zu sein. Auf den beiden großen hybriden Plattformen sind wir aber auch Vendor bzw. es
entwickeln sich Mischformen. Amazon ist hier das beste Beispiel. Hier haben wir einen sehr konstruktiven Ansatz gefunden, indem wir Sortimente sauber schneiden, unsere USPs entsprechend platzieren und auch beim Pricing nicht auf der aggressiven Seite sind. Das entspricht unserer Premium-Strategie und lässt beide Geschäftsmodelle gedeihlich wachsen.

Auf einer Skala von 1-10: Wo würdest Du Eure
Marktplatzorganisation hinsichtlich Kapazität, Speed, Tech und Prozesse heute einstufen?

JH: Oh, das ist schwer, weil ich einen sehr hohen Anspruch habe an die Automatisierung und Synergien mit anderen Marken in der Groupe SEB. Wir sind auf keinen Fall perfekt, aber auf einem guten Weg und vielen Marken in der Gruppe im Marktplatzgeschäft insgesamt bestimmt zwei bis drei Jahre voraus. Und wenn du nach der Skala fragst: Da sehe ich uns aktuell vielleicht bei einer sechs?! Wir investieren aktuell massiv, insofern packen wir hier bis Jahresende noch ein oder zwei Skalenpunkte drauf.

Wie moderiert man das Marktplatz-Business in einer internationalen Gruppe mit vielen Marken und Interdependenzen?

JH: Wenn die Strategie stimmt und gut abgestimmt ist, funktioniert das alles auf einem relativ kurzen Dienstweg. Anspruchsvoll und entscheidend sind zu Beginn sicherlich die Plattformwahl sowie Vendor-Seller-Fragen. Ein Erfolgsschlüssel ist für uns auch, dass wir die Sortimente dann gut definieren und zuordnen. Dadurch werden die Reibungspunkte im operativen Business minimal und man hat Ruhe, um die Kanäle ohne Störfeuer aufzubauen. Der Raum der Möglichkeiten ist inzwischen ja auch so groß, dass man sich konfliktfrei aus dem Weg gehen kann.

Du warst viele Jahre selbst als Manager bei Amazon tätig. Bei WMF verantwortest Du eine Vielzahl von Marktplätzen. Ist diese Amazon-Prägung, das Know-how da hilfreich oder hinderlich?

JH: Bei Amazon gearbeitet zu haben, ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich weiß man, wie man für Amazon effiziente Prozesse umsetzt und wie man denken muss, damit das Business-Modell funktioniert. Und auch der Pragmatismus, das Analytische und die Schnelligkeit, die man bei Amazon lernt, helfen einem woanders weiter. Der Fluch ist, dass Amazon für sich ein total abgeschlossenes Ökosystem ist. Da kennt man keine Systeme wie Channel-Advisor, plentymarkets oder Zendesk. Um für WMF und jeden Marktplatz die beste Lösung zu bauen, muss man diesen Anbieter- und Lösungsmarkt aber verstehen. All das, was ihr hier auch in der Studie aufzeigt, auch mit den B2B-Marktplätzen, sieht man nicht, wenn man bei Amazon arbeitet, sondern erst,
wenn man beim Markenhersteller selbst entwickeln darf.

Viele Marktplätze zu bespielen bedeutet sehr viele Touchpoints in der Customer Journey mit Fragen, Reviews und Retouren. Braucht Ihr auch im Kundenkontakt-Management Automatisierung und klare Prozesse?

JH: Auf jeden Fall. Die Kundenerwartungen an einen Premium-Anbieter sind unglaublich hoch. Aber auch die Plattformen stellen hohe Ansprüche an ihre Seller. Wer einen Tag zu spät versendet oder einen Tag zu spät erstattet, wird abgestraft. Und auch wenn ein Produkt auf Dauer nur mit drei Sternen bewertet wird, fragt der Marktplatz nach. Da führt an Automatisierung kein Weg vorbei. Unser Ansatz ist es, alle möglichen Tools und Helferlein, die man anbinden kann, an Bord zu holen, um diese Aufgabe für uns zu übernehmen oder zumindest zu erleichtern.

Wie verschmelzen denn hier die Kanäle und die Aufgabenverteilung in den Teams? Wer macht Kundenservice, Social Media, Produktmanagement?

JH: Wir organisieren das koordiniert über die bisherigen Abteilungen, setzen also quasi auf das bestehende Set-up an Kundenservice, Logistik, Produkt-
management, Sortimentsmanagement, IT etc. auf. Das Marktplatzteam selbst versteht sich als Business Owner, der das Marktplatzgeschäft (auch technisch) versteht und in die Organisation trägt. Inklusive Change-Aufgaben, das sollte man nicht kleinreden.

Was ist für Dich dann die kritische Team-größe im Marktplatz-Business?

JH: Aktuell sind wir bei WMF fünf FTE. Im Unternehmen ist die Zahl natürlich signifikant größer und der Austausch untereinander wird sehr gefördert. Wenn
das Geschäft so performt, wie wir das wollen, ist perspektivisch ein Team von 10 Leuten wohl eher realistisch. Denn die „Agenturitis“, die wir überall sehen, ist für den digitalen Erfolg eher schlecht. Die wenigsten Unternehmen sind gut darin, Dienstleister in einem dynamischen Umfeld zu steuern und das Know-how intern nachhaltig aufzubauen.

Das heißt, Du tendierst eher zu In- als zu Outsourcing?

JH: Ich plädiere bei Kompetenz und Personal für komplettes Inhousing, bei Tools und Programmierung für weitgehendes Outsourcing. WMF hat den Anspruch, Premium-Anbieter von Kitchenware und Elektrogeräten zu sein. Niemand, auch nicht wir, kann und will das nächste Amazon werden. Aber natürlich müssen wir unbedingt verstehen, wie man den Premium-Ansatz mit den digitalen Möglichkeiten bestmöglich umsetzt. Das heißt, wir müssen wissen,
welche Plattformen gut für uns sind, wie wir den Marktangehen und welche Marketingmöglichkeiten es gibt. Aber wir müssen unser Ordermanagement nicht selber bauen. Da schauen wir uns die besten Tools auf dem Markt an und customizen gezielt mal was.

Was wird bei Euch zentral entschieden, was lokal? Und was schneidet ihr quer durch die Funktionen?

JH: Im Digitalen stellt sich die Frage nach einer effizienten Organisation ganz neu. SAP und die Zentrale regeln das „nicht mal schnell“. Heute will man auf
vielen Märkten und Marktplätzen unterwegs sein. Und jeder funktioniert ein wenig anders. Dieser Komplexität nachzukommen, ist für eine zentrale IT ein großes Problem. Im Endeffekt brauchen wir ein Set-up, das die Vorteile der Zentralisierung nutzt, aber auch Flexibilität und Agilität vor Ort garantiert, also eine zentral gemanagte Plattform, aber stets lokale Exekution.

Und wie handhabt Ihr hierbei die Budgets für das Marktplatz-Business?

JH: Wir haben gruppenweit eigene Budgets für den gesamten D2C-Bereich und das Marktplatzgeschäft. Anders würde es auch nicht funktionieren. Und
unsere Budgetierung innerhalb von DTC ist sehr auf Performanceausgerichtet: Buy-Box- und Conversion-Orientierung. Aber ein Premium-Content auf Social-
Media- und Marktplatzkanälen fällt auch nicht vom Himmel, sondern entsteht nur bei entsprechenden Menschen, Ideen und Budgets.

Du verantwortest mit der DACH-Region eine lokale Unit. Kämpfst Du viel gegen die Zentrale?

JH: Nein, eigentlich müssen wir der Zentrale ein großes Lob aussprechen, weil sie uns frühzeitig in die Entwicklung des Marktplatz-Business einbindet. Die
hören auf uns, wir lernen voneinander und das macht Spaß.

Zum Schluss: Was würdest Du Herstellern raten, die gerade ins Marktplatz-Business starten?

JH: Achtet von Anfang an auf Automatisierung! Wenn ich eines bei Amazon gelernt habe, dann, dass das A von Amazon für Automatisierung steht. Es kos- tet nicht viel mehr, ermöglicht aber hinten raus viel mehr. Natürlich ist es schade, wenn man eine Automatisierung abschalten muss, weil das Business nicht funktioniert. Richtig bitter ist es aber, wenn das Business zündet und dann daran scheitert, dass man manuell nicht nachkommt. Außerdem sollte man alle
relevanten Abteilungen frühzeitig einbinden. Das heißt konkret: Erklärt der Buchhaltung, wie Settlement auf Marktplätzen funktioniert. Zeigt der Logistik, was beim Ausliefern einer Amazon-Bestellung wichtig ist. Und schult den Kundenservice, dass Anfragen innerhalb von acht Stunden beantwortet werden müssen, weil sonst eine Abstrafung droht. Alle relevanten Abteilungen müssen rechtzeitig wissen, was kommt. Es macht keinen Spaß, das zu erklären, „when the shit hits the fan“. Das Problem in vielen Unternehmen ist: In der Vorsorge liegt kein Ruhm. Aber im Digitalen ist das manchmal fatal. Und schlussendlich muss auch die Führung dahinterstehen. Es läuft nie nur rund im Marktplatz- Business. Und dann brauchst du alle Mann und Frau an Bord.

Ein riesen Dankeschön an Jonas Hahn für die interessanten Einblicke. Sie finden diese Studie und noch Vieles mehr in unserer Marktplatzstudie 2022.

Über den Autor:

Jonas Hahn arbeitet seit über 12 Jahren im E-Commerce und unterstützt WMF seit 2016, D2C-Geschäftsmodelle zu entwickeln und erfolgreich zu machen. Er leitet den Onlineshop und das Marktplatzgeschäft der WMF.

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