Gründer und Geschäftsführer von Wiesemann 1893, Manuel Siskowski, gilt als der E-Commerce-Experte. Zu seinen Fachgebieten zählen Amazon-FBA sowie der digitale B2B-Handel. Sein Ziel ist es, mit seiner Marke WIESEMANN 1893, die führende digitale Werkzeugmarke zu werden.

In einem gemeinsamen Interview hatten wir die Gelegenheit mit Manuel über das Thema „Review Management“ zu sprechen.

„Review Management ersetzt traditionelle Marktforschung!“

Ich habe von meinem Kollegen Christian mitbekommen, dass du täglich deine Reviews liest. Wie sieht denn für dich deine Daily Morning Routine aus?

Manuel Siskowski: Ich erhalte meistens gegen 10 Uhr/11 Uhr eine E-Mail mit allen Rezensionen der letzten 24 Stunden und wenn ich genug Zeit habe, gehe ich sie alle durch.

In den meisten Cases gehe ich aber ehrlicherweise nur die durch, die unter 4 Sterne sind, also 3 Sterne oder drunter und versuche im Endeffekt den Überblick zu bekommen, wo aktuell die Probleme liegen.

Du fokussierst dich hauptsächlich auf Amazon. Wieso ausgerechnet Amazon? Wieso sind andere Marktplätze für dich an dieser Stelle uninteressant?

M.S.: Ich glaube, wenn man sich die letzten Zahlen anguckt, liegt Amazon Deutschland bei einem Marktanteil von 55%. Bei uns ist das eine reine Priorisierungsfrage.

Wir können dort mit dem geringsten Aufwand den größten Teil des Marktes gut abarbeiten und danach wird es gerade in unserem Bereich Baumarkt relativ granular und die anderen Marktplätze sind dann meistens zu klein.

Was hältst du von dem Marktplatz ManoMano?

M.S.: In Frankreich finde ich es extrem spannend. In ihrem Heimmarkt sind sie schon sehr weit und sie wachsen aktuell sehr stark, da ist es sehr interessant aber in Deutschland ist es noch keine interessante kritische Masse.

Zurück zu den Reviews. Wie wichtig sind für dich Reviews auf Amazon insbesondere für deine eigenen Produkte?

M.S.: Also zum einen ist es der positive Einfluss auf die Conversion Rate, der natürlich der Riesenvorteil ist. Zusätzlich versuchen wir an verschiedenen Stellen das Wissen dahinter zu nutzen.

Zum einen auf der Qualitätsseite, das heißt wir versuchen stark zu monitoren wie sich Rezensionen in Produkten und Produktgruppen, je beispielsweise nach Herstellungsland, über die Zeit entwickeln, um das mit den Chargen abzugleichen, die wir produzieren.

Dadurch können wir gut sehen ab wann es innerhalb einer Charge Probleme gibt und das ist für uns häufig die schnellste Möglichkeit auf Schwankungen in der Produktionsqualität zu reagieren.

Welche Rolle spielen Produktfragen für dich? Analysiert bzw. beantwortet ihr eure Produktfragen? Ist die Beantwortung der Produktfragen ein hilfreiches Mittel, um mit dem Endkunden direkt zu kommunizieren?

M.S.: Wir versuchen sie so gut wie möglich zu nutzen. Das Verhältnis Produktfragen zu Produktrezensionen ist 1:15 oder 1:20, also deutlich weniger. Ist für unser aber total interessant, vor allem gerade am Anfang von einem Produktlaunch.

Sobald eine Produktfrage aufkommt, bedeutet das, dass wir das Produkt auf der Content Seite nicht ausreichend erklärt haben. Wir nehmen das zum Anlass zu analysieren.

Wir sehen welche Fragen noch offen sind und an welcher Stelle wir unseren Content optimieren können. Man muss aber auch ehrlich sein, bei vielen Fragen merkt man, dass die Kunden das Produkt entweder gar nicht verstanden haben oder der Content nicht ausreichend gelesen wurde.

Das ist meistens dann nicht so interessant für uns, das gehört eher zum Customer Service. Aber ganz häufig erkennt man daran ganz gut, was man selbst dem Kunden noch nicht ausreichend erklärt hat.

An dieser Stelle verstehe ich überhaupt nicht, wieso die Review-Daten nicht viel besser genutzt werden. Meines Erachtens sind sie qualitativ viel aussagekräftiger und viel besser als traditionelle Marktforschungsdaten.
Manuel Siskowski – CEO Wiesemann 1893

Siehst du einen direkten Zusammenhang zwischen Produktreviews und Kaufentscheidungen?

M.S.: Ja aufjedenfall. Das hat irgendwann einen abnehmenden Grenznutzen. Wir sagen, dass ein Produkt ab 100 Rezensionen wirklich gut funktioniert und bei mehr als 1000 Rezensionen sehen wir eigentlich keinen positiven weiteren Effekt mehr.

Führen nur positive Produktbewertungen zu einer Kaufentscheidung? Was ist denn mit den negativen Bewertungen? Wie gehst du mit diesen um?

M.S.: Ich glaube jeder Kunde bzw. ich kenne es von meinem eigenen Surfverhalten ist das Erste was ich mache, wenn ich mir bei einem Produkt nicht sicher bin, schaue ich mir die Rezensionen an und filtere von unten nach oben.

Ich schau mir natürlich an, was nicht gut gelaufen ist, weil man dann ein ganz gutes Gefühl dafür bekommt, was sind die Nachteile bei einem Produkt oder bei einem Angebot. Es ist viel spannender eine Ein-Sterne-Rezension zu lesen als eine Fünf-Sterne-Rezension.

Wir versuchen schon zum Teil darauf zu reagieren, das geht, aber aktuell geht es momentan nicht, es wurde gerade wieder geändert, aber glaube gerade geht es schon wieder. Wir versuchen schon immer darauf zu antworten und versuchen eine relativ leichte Lösung für den Kunden zu finden.

Wenn es wirklich Produktprobleme gibt und nicht mit dem Versand, können Kunden einfach kurz Bescheid sagen und bekommen direkt ein Replacement.

Das Interessante ist ja und das sieht man dann, wenn Kunden sich wirklich Arbeit gemacht haben und ich sag mal wirklich den Druck loswerden wollten und sich einfach beschweren wollten, wie bei einer schlechten Experience, danach aber einen sehr pragmatischen Kundenservice erlebt haben, somit eine gute Produktexperience, sind sie häufig auch gewillt, dass dann auch nochmal upzudaten.

Wenn der Kunde nun liest, dass auf eine Ein-Sterne-Rezension nun nochmal ein Update folgt, weil Kunden häufig auch Rezensionen stehen lassen und diese updaten, dann ist es ja das perfekte Gefühl bzw. die Sicherheit für den Neukunden, weil er gesehen hat, selbst wenn da mal was schiefläuft, wird sich darum gekümmert.

Würdest du sagen, dass der Content, der durch die Reviews gewonnen wird, eine MAFO ersetzen könnte?

M.S.: Also ich persönlich verstehe häufig nicht, warum bei sehr traditionellen Firmen überhaupt Marktforschung noch so eine hohe Bedeutung hat.

Ehrlicherweise sind ja Marktforschungsdaten in den meisten Fällen extrem artifiziell, weil ja häufig gerade, wenn ich vor allem mit bezahlten Gruppen arbeite, die vielleicht gar nicht echte Kunden sind, sich erst dann mit dem Produkt auseinandersetzen, und somit künstliche Daten erzeugt werden. Wohingegen man zwangsläufig zu jedem Produkt momentan online überall Datenpunkte findet, wo Kunden ehrliche Meinungen und ehrliches Feedback zu Produkten geben, wo ich überhaupt nicht verstehe, dass diese Daten nicht viel besser genutzt werden.

Meines Erachtens sind sie qualitativ viel aussagekräftiger und viel besser als traditionelle Marktforschungsdaten. Das klappt natürlich jetzt nicht immer, vor allem in der Phase vor dem Launch, aber meines Erachtens sind die Daten viel aussagekräftiger und viel wertvoller für Produkte ab dem Launch.

Glaubst du, Produktreviews erhalten zurzeit in Unternehmen die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben?

M.S.: Bei uns würde ich sagen ja. Bei den anderen kann ich es schwer einschätzen, aber was man so mitbekommt ist es eigentlich kein großes Thema. Ich finde es absurd, wenn es manchmal ganze Abteilungen für Marktforschung gibt, dann müsste man eigentlich hergehen und es müsste eine Analyseabteilung für Kundenbewertungen geben, denn man könnte es 1:1 austauschen.

Also ich glaube, dass haben viele ehrlicherweise noch nicht erkannt, weil es ehrlicherweise eine riesige Kosteneinsparungen ist.

Welche Trends und Entwicklungen wird es in Bezug auf das Review Management geben?

M.S.: Also ich glaube was man jetzt aktuell hat oder das Problem was viele Brands haben ist, dass Kunden verschiedene Datenpunkte an verschiedenen Schritten in der Customer Journey hinterlassen auf verschiedenen Plattformen und in verschiedenen Sprachen und in verschiedenen Systemen. Das ist das große Problem.

Ich kann ein Kundenfeedback in einer Kundenservice-E-Mail bekommen, die über meinen eigenen Kanal läuft. Ich kann ein Kundenfeedback auf einem Sozialen Medium bekommen, z.B. unter einem Instagram Post. Gleichzeitig kann ich aber auch auf Amazon Brasilien oder Amazon Türkei eine total spannende Bewertung haben. Das Problem ist häufig, dass ich die Sprache nicht wirklich verstehe.

Ich glaube der interessante Punkt, der in den nächsten Jahren gelöst werden muss, ist das alles zu zentralisieren und dann aber auch die Möglichkeit hinzubekommen die Sachen an verschiedenen Punkten wiederrum auszuspielen. Das ich z.B. auf Target USA verkaufe und relativ gut Kundenbewertungen in meinem eigenen Shop in Deutschland verwenden kann und das ist glaube ich der Punkt.

Da gibt es auch ein paar rechtliche Sachen, die noch zu klären sind, die gar nicht so trivial sind. Aber das ist, wo glaube ich jede Marke und jedes Unternehmen für sich noch am meisten rausholen könnte.


Das Interview führte Albina Schönberger von gominga am 28. Juli 2021 mit Manuel Siskowski.

Weitere Infos zu Manuel Siskowski und seinen Projekten: www.siskowski.com