Wer auf Marktplätzen erfolgreich sein will, braucht eine Strategie. Was wie eine Binsenweisheit klingt, wird in einer internationalen Organisation mit einer Vielzahl von Marken, Marktplätzen und Ländern schnell komplex. Entsprechend wichtig ist der Themenbereich Organisation, Kompetenzen, Systeme, Prozesse, Kultur. Wir sprachen mit Jonas Hahn, Head of Onlineshop and Marketplaces DACH bei WMF, wie man Strategie und Organisation für ein funktionierendes Marktplatz-Business heutzutage in Einklang bringen und umsetzen sollte.
Seit wann ist WMF auf Marktplätzen aktiv? Seit wann genießt das Thema TOP-Priorität?
JH: Wir verkaufen seit ca. 2016 über Online-Marktplätze und das Thema hatte von Anfang an eine hohe Priorität im Management. Nach zwei bis drei Jahren haben wir allerdings erkannt, dass wir eine andere Strategie brauchen. Marktplätze sind ja sehr preiskompetitiv. Das ist aus Sicht einer Premiummarke herausfordernd. Seit 2021 treten wir mit einem klaren Premium-Anspruch auf den Marktplätzen auf.
Machen es Euch die Marktplätze heute leichter als früher, durch Möglichkeiten wie A+-Content den Premium-Anspruch umzusetzen?
JH: Mit dem Anspruch der WMF als Premiummarke ist das immer eine Herausforderung. Aber wir versuchen, die Darstellung auf den Plattformen trotz der unterschiedlichen Content-Vorgaben auf jedem Marktplatz so hochwertig und auch so homogen wie möglich umzusetzen. Und natürlich nutzen wir dafür auch A+-Content, z. B. bei Amazon. Uns ist dabei auch sehr wichtig, den Content selbst zu ownen, die Marketingmöglichkeiten zur Plattform selbst zu steuern und den Kontakt zur Plattform selbst zu haben.
Von wie vielen Marktplätzen sprechen wir denn dann – inklusive Länderdomains?
JH: In meiner Region DE und AT sind wir Stand heute auf fünf Marktplätzen live. Weitere fünf bis sechs sind in den kommenden 1,5 Jahren geplant. Aber natürlich ist es naheliegend, dass ein Set-up, das sehr effizient im DACH-Markt funktioniert, auch im gesamten EU-Markt funktioniert. Es wird aber gerade noch diskutiert, wie wir hier skalieren.
Also habt Ihr es schnell mit 15 bis 20 Plattformen zu tun, die alle unterschiedliche Anforderungen stellen?
JH: In der Tat: Das ist ein sehr komplexes und dynamisches Arbeitsfeld. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Und das geht nur, wenn man in allen Bereichen – von der Content-Ausspielung über Marktbeobachtung und Abrechnung bis zu Logistik und Ordermanagement – auf maximale Automatisierung, Effizienz und Skalierbarkeit setzt. Hier führt kein Weg an guten Systemen und Prozessen vorbei. Punkt!
Agiert Ihr hier als Vendor oder Seller?
JH: Unser Ziel ist es, auf den meisten Plattformen nur Seller zu sein. Auf den beiden großen hybriden Plattformen sind wir aber auch Vendor bzw. es entwickeln sich Mischformen. Amazon ist hier das beste Beispiel. Hier haben wir einen sehr konstruktiven Ansatz gefunden, indem wir Sortimente sauber schneiden, unsere USPs entsprechend platzieren und auch beim Pricing nicht auf der aggressiven Seite sind. Das entspricht unserer Premium-Strategie und lässt beide Geschäftsmodelle gedeihlich wachsen.
Auf einer Skala von 1-10: Wo würdest Du Eure Marktplatzorganisation hinsichtlich Kapazität, Speed, Tech und Prozesse heute einstufen?
JH: Oh, das ist schwer, weil ich einen sehr hohen Anspruch habe an die Automatisierung und Synergien mit anderen Marken in der Groupe SEB. Wir sind auf keinen Fall perfekt, aber auf einem guten Weg und vielen Marken in der Gruppe im Marktplatzgeschäft insgesamt bestimmt zwei bis drei Jahre voraus. Und wenn du nach der Skala fragst: Da sehe ich uns aktuell vielleicht bei einer sechs?! Wir investieren aktuell massiv, insofern packen wir hier bis Jahresende noch ein oder zwei Skalenpunkte drauf.
Wie moderiert man das Marktplatz-Business in einer internationalen Gruppe mit vielen Marken und Interdependenzen?
JH: Wenn die Strategie stimmt und gut abgestimmt ist, funktioniert das alles auf einem relativ kurzen Dienstweg. Anspruchsvoll und entscheidend sind zu Beginn sicherlich die Plattformwahl sowie Vendor-Seller-Fragen. Ein Erfolgsschlüssel ist für uns auch, dass wir die Sortimente dann gut definieren und zuordnen. Dadurch werden die Reibungspunkte im operativen Business minimal und man hat Ruhe, um die Kanäle ohne Störfeuer aufzubauen. Der Raum der Möglichkeiten ist inzwischen ja auch so groß, dass man sich konfliktfrei aus dem Weg gehen kann.
Du warst viele Jahre selbst als Manager bei Amazon tätig. Bei WMF verantwortest Du eine Vielzahl von Marktplätzen. Ist diese Amazon-Prägung, das Know-how da hilfreich oder hinderlich?
JH: Bei Amazon gearbeitet zu haben, ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich weiß man, wie man für Amazon effiziente Prozesse umsetzt und wie man denken muss, damit das Business-Modell funktioniert. Und auch der Pragmatismus, das Analytische und die Schnelligkeit, die man bei Amazon lernt, helfen einem woanders weiter. Der Fluch ist, dass Amazon für sich ein total abgeschlossenes Ökosystem ist. Da kennt man keine Systeme wie Channel-Advisor, plentymarkets oder Zendesk. Um für WMF und jeden Marktplatz die beste Lösung zu bauen, muss man diesen Anbieter- und Lösungsmarkt aber verstehen.